Das ungeborene Kind: Argumente und Gegenargumente

Das ungeborene behinderte Kind

Es ist besser, ein behindertes Kind gleich gar nicht auf die Welt kommen zu lassen, als es unter menschenunwürdigen Bedingungen und Diskriminierung aufwachsen zu lassen.
Wenn dieser Grundsatz gilt, hat kein Behinderter das Recht auf Leben. Niemand aber weiss, ob er nicht morgen schon zu diesen Behinderten zählt. Dieser Satz tötet die Liebe und die Hilfsbereitschaft, besonders zu den Kranken. Das aber bedeutet eine Katastrophe für uns alle.
Es kann keiner Mutter zugemutet werden, ein geistig oder körperlich behindertes Kind zu erziehen, besonders wenn sie selbst psychisch sehr labil ist.
Psychische Labilität der Mutter wird durch die Abtreibung nicht beseitigt, sondern verschlimmert. Darum braucht die Frau unsere Hilfe. Denn sie kann mit den Problemen allein nicht fertig werden. Wir alle in Staat und Kirche haben genug Möglichkeiten, auch den behinderten Kindern das Leben zu ermöglichen. Das Wissen um die Unantastbarkeit des Lebens fordert unsere Liebe zu Mutter und Kind heraus.
Muss behindertes Leben auf jeden Fall beschützt werden? Gibt es denn nicht wirklich gravierende Fälle, wo der "Gnadentod" oder die "Abtreibung" sich aufdrängen und gerechtfertigt wären?
Das Menschsein und seine unantastbare Würde können nicht vom körperlichen oder seelischen Zustand eines Menschen abhängig gemacht werden, also auch nicht von Krankheit, Gebrechen oder Verstümmelung.
Wer glaubt, behindertes Leben (auch in seinen ärmsten Formen) beseitigen zu dürfen, nimmt sich das Recht heraus, als Planer eines vollkommenen Menschen aufzutreten. Er eignet sich damit die Rolle eines Schöpfers an, der über andere göttliche Rechte ausübt. Hier kann man nur ausrufen: "Lass mich, o Gott, nicht in die Hände von Menschen fallen und bewahre mich vor den Grössenwahnsinnigen". Wohin solche Gedanken in der Vergangenheit geführt haben, wissen wir nur allzudeutlich. Übrigens: Schon morgen kann jeder von uns ein Behinderter sein.
Ist es nicht besser, ein behindertes Kind gar nicht auf die Welt kommen zu lassen, als es unter menschenunwürdigen Bedingungen und Diskriminierung aufwachsen zu lassen?
Dass Behinderte oft Diskriminierung durch die Gesellschaft erfahren, ist kein Grund dafür, behinderte Kinder gestützt auf pränatale Tests abzutreiben, vielmehr muss das Übel der Diskriminierung an der Wurzel ausgerottet werden, was bedeutet, dass sich die Gesellschaft vermehrt für deren Belange solidarisieren muss. Zudem äussern sich die meisten Behinderten durchaus positiv zu ihrer Existenz.
Es kann doch keiner Mutter zugemutet werden, ein geistig oder körperlich behindertes Kind zu erziehen.
Bei der Abtreibungsfrage geht es nicht bloss um die Entscheidungsfreiheit der Mutter, sondern vor allem um das Recht auf Leben des Ungeborenen, das unseres Erachtens höherrangig ist. Und es ist unbestritten, dass auch Behinderte ein Recht auf Leben haben. Eine Mutter, die sich nicht in der Lage fühlt, ein behindertes Kind grosszuziehen, kann dieses jederzeit zur Adoption freigeben.


Entwicklungsstufen

Auch wenn das ungeborene Leben menschliches Leben ist, so gibt es doch sicher "qualitative" Unterschiede vor und nach der Geburt, welche eine Abtreibung rechtfertigen können.
Welche "qualitative Unterschiede" meinen Sie? Ist ein fünf Monate altes Kind qualitativ weniger ein Mensch als ein 25-jähriger Mann oder eine 25-jährige Frau? Ist ein kranker Mann weniger Mensch als ein gesunder, oder ein alter weniger als ein junger? Ist also das ungeborene Kind im Schosse seiner Mutter weniger Mensch als das geborene? Wo wollen Sie hier einen Unterschied finden und ableiten? – Aber in einem "quantitativ-computermässigen Denken", das unsere Tage zu beherrrschen scheint und auf den Menschen übertragen wird, liegt eine der Wurzeln des heutigen verderbenbringenden Materialismus. Solches beherrscht doch unser Denken und verleitet zu Untaten.
Weshalb wird bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs in den ersten Monaten ein solches Aufheben gemacht, schliesslich wird ja bloss ein Zellklumpen abgetrieben?
Dass es sich bei der Abtreibung nicht bloss um die Entfernung eines Zellklumpens aus der Gebärmutter handelt, sondern um die Zerstörung eines Menschen, zeigt sich grundsätzlich schon darin, dass die Chromosomen (Struktureinheiten des Zellkerns, welche die genetische Information enthalten und als deren Transporteinheiten während der Zellteilungen dienen) im befruchteten menschlichen Ei immer typisch menschlich sind und sich während der ganzen Entwicklung nicht ändern. Was sich im Verlauf der Entwicklung ändert, ist nur das Erscheinungsbild, nie aber das Wesen. Man kann also nicht von einer Vorstufe menschlichen Lebens in der frühen Entwicklungszeit sprechen. Es gibt keinen Wechsel von einem Nichts zu einem Etwas, von einer Unperson zu einer Person (vgl. dazu S.4, unten, der Broschüre "Achtung, Sie werden in der Abtreibungsdiskussion manipuliert" von Ja zum Leben, aus Medizin und Ideologie – Informationsblatt der Europäischen Ärzteaktion, Ansprache von Dr. med. Bernhard Nathanson, Ulm, Oktober 1984).

Hinzu kommt, dass sich schon nur mit 17 Tagen das Herz des Kindes zu zeigen beginnt und es erste Kontraktionen versucht.Nervale Verbindungen zwischen peripheren Körperbereichen und Zentralnervensystem entstehen in der Zeit von der achten bis zur zehnten Schwangerschaftswoche, was bedeutet, dass der Embryo von da an eine Empfindung haben kann, die dem Schmerzerlebnis nahekommt (vgl. S. 24 aus dem Buch "Schwangerschaftsabbruch eine Kontroverse", Beitrag von Prof. Dr. med. Willy Stoll, utzinger/stemmle Verlag, Rieden, 1995).

Wie einem Artikel aus dem Heft Nr. 5/96 der Aktion "Helfen statt töten" gemäss idea/spektrum 45/96 entnommen werden kann, wird dies durch eine britische Studie bestätigt, welche zum Schluss kommt, dass ein Fötus sogar bereits im Alter von 6 Wochen Schmerz empfinden kann.
Am Londoner "Queen Charloote Hospital" fand man zudem heraus, dass Ungeborene bei Operationen im Mutterleib Stresshormone produzieren, welche mit Schmerzempfindungen verbunden werden. Ärzte sollten einen Fötus darum betäuben, bevor eine Operation oder eine Abtreibung vorgenommen wird.
Abtreibungen werden in der Schweiz nur bis zum dritten Schwangerschaftsmonat vorgenommen, so dass das Ungeborene noch gar nicht richtig entwickelt ist.
Dies trifft nicht zu.
Gewiss erfolgen die meisten Schwangerschaftsabbrüche vor der zwölften Woche.
Allerdings ist der Abbruch der Schwangerschaft bei Vorliegen einer medizinischen Indikation auch zu einem viel späteren Zeitpunkt (z.B. nach 5 Monaten) straffrei, so dass das abgetriebene Kind dann altersmässig nicht mehr weit von den Frühgeburten entfernt ist, die bereits eine Überlebenschance haben.
Ein solch später Schwangerschaftsabbruch erfolgt durch Kaiserschnitt oder aber durch Einleitung einer Geburt.

Beispiel einer Spätabtreibung: Eine solche wird insbesondere vorgenommen, wenn eine Fruchtwasseruntersuchung gezeigt hat, dass das Kind behindert sein wird. Die Fruchtwasserpunktion wird meistens zwischen der 16. und 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Bis die entsprechenden Resultate vorliegen, verstreicht in der Regel eine Frist von zwei bis drei Wochen, so dass sich die Frau in der Zwischenzeit in der 18. bis 24. Schwangerschaftswoche befindet. (vgl. dazu Seiten 46 und 56 aus dem Buch "Plädoyer für die Ungeborenen" von Martin Jost, factum Taschenbuch, Schwengeler Verlag, Berneck 1984).


Pränatale Diagnostik

In welchem Zusammenhang stehen pränatale Diagnostik und Abtreibung?
Es ist festzuhalten, dass die pränatalen Tests die werdende Mutter nicht nur beruhigen, indem sie so weiss, dass sie ein gesundes Kind erwartet, sondern diese auch in einen Gewissenskonflikt stürzen können, wenn beim Kind, das sie erwartet, eine Behinderung festgestellt und ihr die Möglichkeit einer Abtreibung nahegelegt wird.
Hinzu kommt, dass nicht alle pränatalen Tests risikolos sind:
So beträgt das Risiko, bei eine Fruchtwasseruntersuchung (Gewinnung von Fruchtwasser durch Einführung einer Hohlnadel in die Gebärmutter, um Zellen des Foetus zu untersuchen) eine Fehlgeburt zu erleiden, zwischen 0,3 und 2,4 Prozent und die Verletzungsgefahr wird mit 1 Prozent angegeben.
Bei der Chorionzottenbiopsie (mittels einer Kanüle, welche durch die Scheide in die Gebärmutter eingeführt wird, kann Gewebe aus den Zotten entnommen und untersucht werden) liegt das Risiko einer Fehlgeburt noch höher, nämlich zwischen 3,5 bis 7,2 Prozent. Ausserdem kann diese Untersuchung Fehlbildungen an Fingern, Zehen, Zunge oder Unterkiefer verursachen (vgl. dazu S. 173 und 174 aus dem Buch "Schwangerschaft zwischen guter Hoffnung und medizinischem Risiko" von Eva Schindele, Rasch und Röhring Verlag, Hamburg, 1995).
Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass nicht auszuschliessen ist, dass in weiterer Zukunft Schwangere aus versicherungstechnischen Gründen nur dann in den Genuss von Versicherungsleistungen kommen werden, wenn sie sich pränataler Tests unterziehen und im Falle einer Behinderung des Kindes eine Abtreibung vornehmen lassen.


Fruchtwasseruntersuchung

In der Fruchtwasseruntersuchung besitzen wir eine moderne Methode, den Behinderten ein Leben in Diskriminierung zu ersparen.
Wir empfinden es von vornherein als eine Ungeheuerlichkeit, das Leben eines Behinderten als ein Leben in Diskriminierung zu bezeichnen, das heisst, es der allgemeinen Verachtung preiszugeben. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies bewusst oder unbewusst geschieht. Eine solche Haltung ist offenkundig eine Bedrohung für alle Menschen, weil jeder heute oder morgen schon durch einen Unfall behindert werden kann. Im Artikel 3 der Menschenrechtskonventionen steht:"Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person". Und in der Präambel wird vorweggenommen, dass die Menschenrechte deshalb zu verkünden seien, "da Verkennung und Missachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben". – Diese Rechte dem ungeborenen und behinderten Kind zu verwehren, muss die Menschenrechte in der Konsquenz wieder für alle ausser Kraft setzen.


Eugenik

Welche Parallelen gibt es zwischen Eugenik und pränataler Diagnostik?
Am 1. Januar 1934 wurde im deutschen Reich das berüchtigte "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" in Kraft gesetzt. Fortan waren Zwangssterilisierungen bei bestimmten Diagnosen erlaubt. Später wurden Zwangsabtreibungen bis zum sechsten Monat zugelassen, die zudem mit anschliessender Zwangssterilisierung gekoppelt werden konnten (S. 337 "Schwangerschaft, zwischen guter Hoffnung und medizinischem Risiko, Eva Schindele, Rasch und Röhring Verlag, Hamburg, 1995).

Wenn auch heute von einem Abtreibungszwang bei der Feststellung einer Behinderung am noch ungeborenen Kind nicht die Rede sein kann, so fragt sich doch, angesichts der Tatsache, dass immer mehr Frauen aufgrund einer pränatalen Diagnose abtreiben, sie einem neuen Trend zur Eugenik folgen und damit zwischen existenzberechtigtem und lebensunwertem menschlichem Leben unterscheiden.

 
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